Für siebzig Beraterinnen und Berater sowie Verwaltungskräfte der Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen (EFL) der Diözese Augsburg im Haus Sankt Ulrich stand in dieser Woche das Thema „Religiosität und Spiritualität in Beratung und Alltag“ im Mittelpunkt. Bei den traditionellen Beratertagen tauschten sie sich nicht nur fachlich, sondern auch zwischenmenschlich aus - und erlebten so dichte Tage.
Wissenschaftlichen Input erhielten die Beraterinnen und Berater von Professor Dr. Henning Freund aus Heidelberg, der seit vielen Jahren schon zu den Zusammenhängen zwischen Psychotherapie und Beratung einerseits und Religion und Spiritualtität andererseits forscht. Nach Jahrzehnten der Distanz zwischen beiden macht er in den letzten Jahren einen „spiritual turn“ in Beratung und Psychotherapie aus, den er empirisch belegen kann. Demnach werden Religiosität und Spiritualität von Therapeuten und Beratern inzwischen „salutogenetisch“ betrachtet. Das heißt, dass sie als Ressourcen verstanden werden, psychische Genesungs- und Veränderungsprozesse begünstigen. Freund rät daher zu einer religionssensiblen Haltung in der Arbeit mit Klientinnen und Klienten. Beraterinnen und Berater dürften und sollten im Bereich von Religion und Spiritualität liegende Ressourcen der Klientinnen und Klienten in der Beratung aktiv ansprechen und nutzen, anstatt sie weiterhin zu ignorieren.
Ob direkte spirituelle Interventionen in der Beratung einen Platz haben dürfen, war an den EFL-Tagen insofern ein Diskussionsthema, als die psychotherapeutischen Richtlinien im Gesundheitssystem dies nach wie vor ausschließen. Hier liege jedoch eine Chance für die EFL als Angebot der Kirche. Professor Freund machte zugleich deutlich, dass direkte spirituelle Interventionen in der Beratungsarbeit vor allem dann wirksam werden können, wenn mit dem oder der Ratsuchenden, ein gemeinsamer Nenner im spirituellen Verständnis herausgearbeitet wurde. Dies sei einer von vielen Gründen, in der Beratungsarbeit nach entsprechenden Einstellungen zu fragen. Sowohl die Chancen als auch die Grenzen der jeweiligen Möglichkeiten seien innerhalb der Berater-Klient-Beziehung zu eruieren.
Dr. Gabriela Grunden und Jonas Weinzierl - beide beim Erzbistum München und Freising zuständig für Spiritualität beziehungsweise Exerzitien - begleiteten die EFL-Mitarbeitenden bei einer spirituellen Selbsterfahrung. Die Worte „Wo bist du?“ als Klage gegenüber Gott veränderten in einem Poetry-Slam ihre Reihenfolge zu „wo du bist,…“ und man spürte, dass mit diesem zweiten „du“ nun jeder und jede selbst gemeint war. Die Klage gegenüber Gott wandelte sich zu einer Aufforderung an sich selbst: „Übernimm Verantwortung, …da, wo du bist!“
Neben Informationen zu organisatorischen Veränderungen ging es in diesen Tagen auch über die Zukunft der EFL in der Diözese Augsburg. In den Gesprächen mit Seelsorgeamtsleiterin Angelika Maucher und Fachbereichsleiterin Maria Muther standen die Ideen aus den Reihen der Mitarbeitenden über mögliche Zukunftsperspektiven im Mittelpunkt.
Neuanfang und Abschied standen ebenfalls auf der Tagesordnung. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden begrüßt, längjährige Kolleginnen und Kollegen bei einer Andacht - zumeist in den Ruhestand - verabschiedet.
Und was bleibt nach diesen beiden Tagen unterm Strich? Die langjährige und lebendige Verbundenheit zwischen den EFL'ern in der Diözese ließ – verstärkt durch gemeinsame intensive und kreative Bewegungseinheiten – eine familiäre Atmosphäre entstehen, die einerseits den Abschied nicht leicht machte, die aber andererseits gute Chancen hat, als nachhaltige Impulse in die jeweilige Region mitgenommen zu werden.