Zu dem Rücktritt zweier Ansprechpersonen für Fälle sexuellen Missbrauchs oder körperlicher Gewalt an Minderjährigen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen gibt das Bistum Augsburg folgende Stellungnahme ab:
Das Bistum Augsburg bedauert den Rücktritt von Frau Angelika Hauser und Herrn Rupert Membarth und dankt ihnen für die bisher geleistete, außerordentlich anspruchsvolle Arbeit. Leider hatten Frau Hauser und Herr Membarth diesen überraschenden Schritt dem Bistum im Vorfeld nicht angekündigt. Erst nach Eingang einer Presseanfrage hat das Bistum erstmals am späten Montagabend direkte Kenntnis erlangt. Insoweit bedauert das Bistum, dass keine vorherigen klärenden Gespräche geführt werden konnten. Solche Gespräche wären allerdings im Sinne aller Beteiligten und für die konstruktive Fortsetzung der Aufklärung und Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im Bistum wichtig und wünschenswert gewesen.
Denn die durch Frau Hauser und Herrn Membarth beklagten, neuen datenschutzrechtlichen Hürden betreffen nicht allein das Bistum Augsburg, sondern alle deutschen Bistümer. Die Kommission des Verbands der Diözesen Deutschlands (VDD) hat nach der zum 1. Januar 2022 in Kraft getretenen neuen Personalaktenordnung bereits die strikte Einhaltung der Vorschriften angemahnt, wonach seitdem kein Recht zur Akteneinsicht besteht. Stattdessen ist das Bistum grundsätzlich auf die Erteilung von Auskünften aus den Personalakten an die unabhängigen Ansprechpersonen im Rahmen deren Plausibilitätsprüfung beschränkt. Das Bistum Augsburg muss also seitdem streng zwischen Akteneinsicht und Aktenauskunft trennen. Ob und wie diese Trennung durch die anderen Bistümer praktiziert wird, entzieht sich unserer Kenntnis.
Dem Bistum Augsburg ist kein Fall bekannt, in welchem die Aktenauskunft versagt worden wäre.
Nach dem Gesetz über den kirchlichen Datenschutz (KDG) wären Frau Hauser und Herr Membarth auf die Einhaltung des Datengeheimnisses zu verpflichten und es wäre wegen gemeinsamer datenschutzrechtlicher Verantwortung auch eine schriftliche Vereinbarung über die Aufgabenverteilung abzuschließen gewesen. Hierzu hat das Bistum Augsburg Frau Hauser und Herrn Membarth mehrfach informiert und im Ergebnis leider vergebens Gesprächsangebote unterbreitet.
Die Einhaltung der neuen datenschutzrechtlichen Vorgaben mag zwar unpopulär sein. In der Realität dient diese aber vor allem dem Interesse und dem Schutz der Opfer. Denn jede Abweichung von der gültigen Rechtslage könnte nicht nur rechtlich angefochten werden, sondern bis hin zu einem Beweisverwertungsverbot führen. Für das Bistum Augsburg gilt daher: Opferschutz vor Popularität.
Dem Bistum Augsburg sind jedoch nicht nur datenschutzrechtliche Grenzen gesetzt, sondern auch durch die Interventionsordnung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Gemäß der klaren Zuständigkeitsregelung muss sich nämlich der Aufgabenkreis der unabhängigen Ansprechpersonen auf die Entgegennahme von Hinweisen auf sexuellen Missbrauch an Minderjährigen und schutz- bzw. hilfebedürftigen Erwachsenen, auf die Gesprächsführung mit Betroffenen, eine Plausibilitätsprüfung sowie auf die Hilfestellung bei der Antragstellung auf Leistungen zur Anerkennung des Leids beschränken. Die Ansprechpersonen stehen damit den Betroffenen nahe. Die Aufklärung und Aufarbeitung sind nach der Interventionsordnung dagegen nicht Aufgabe der unabhängigen Ansprechpersonen, sondern stattdessen der unabhängigen Aufarbeitungskommission (UAKA). Abgesehen von der Beschränkung des Aufgabenkreises ist das Bistum Augsburg auch gehalten, stets die Unabhängigkeit der Ansprechpersonen zu wahren. Eine damit verbundene, gewisse Zurückhaltung des Bistums gegenüber den Ansprechpersonen sollte nicht missverstanden werden. Das Bistum Augsburg bedauert, dass es offenbar dennoch zu solchen Missverständnissen gekommen ist.
Den Vorhalt, dem Bistum Augsburg würde es an echtem proaktiven Aufklärungswillen mangeln, weist das Bistum allerdings entschieden zurück. Jeder Einzelfall wird hier von den verantwortlich handelnden Personen sehr ernst genommen und akribisch bearbeitet. Gegen den Vorhalt spricht nicht zuletzt das aktuelle unabhängige Aufklärungsprojekt – die Missbrauchsstudie für das Bistum Augsburg, deren konkreter Zuschnitt auf die Opfer anstelle der Täter unmittelbar auf die UAKA und den unabhängigen Betroffenenbeirat in Augsburg (UBBA) zurückgeht. Zudem arbeitet bereits seit Januar 2022 eine Projektgruppe der UAKA an einer vertieften Auswertung der Daten der MHG-Studie. Auf der Homepage der UAKA und des UBBA (www.aufarbeitungskommission-augsburg.info) ist dies in den jährlichen Tätigkeitsberichten nachlesbar. In dieses Projekt sind bisher bereits mehr als 2.000 Arbeitsstunden investiert worden. Der Arbeitstitel dieses Abschlussberichtes lautet „Vertiefte Auswertung des der MHG-Studie zugrundeliegenden Datenbestandes für das Bistum Augsburg unter besonderer Berücksichtigung der Verantwortlichkeiten“.